
Der BGH hat mit Urteil vom 9. Juli 2015 (I ZR 46/12 – Die Realität II) entschieden, dass die Verlinkung eines auf einer Online-Videoplattform verfügbaren Werkes unter Verwendung der sog. Framing-Technik grundsätzlich keine Urheberrechtsverletzung darstellt – jedenfalls dann nicht, wenn die urheberrechtlich geschützten Inhalte
mit Zustimmung des Rechteinhabers auf der Videoplattform eingestellt wurden. Unter Framing versteht man die Einbindung eines (fremden) Inhaltes in einen Rahmen (Frame) auf der verlinkenden Website, ohne dass die URL der verlinkten Website in der Browser-Zeile angezeigt wird.
Nach Ansicht des BGH (Pressemitteilung Nr. 114/2015) stellt die Einbindung eines auf einer fremden Website bereitgehaltenen Werkes in die eigene Website mittels „Framing“ grundsätzlich weder eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 UrhG noch ein öffentliches Zugänglichmachen gemäß § 19a UrhG dar. Denn allein der Inhaber der verlinkten Website trage die Entscheidung darüber, ob die in seinem Internetangebot enthaltenen Werke weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Bereits in dem im vorliegenden Rechtsstreit eingereichten Vorabentscheidungsersuchen (C-348/13) hatte der EUGH die Auffassung vertreten, dass die Einbindung eines Werkes auf der verlinkenden Website grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG) darstellt, weshalb der BGH angehalten war, die o.g. Vorschriften des deutschen Urheberrechtsgesetzes in richtlinienkonformer Weise auszulegen. Entscheidend war nach Ansicht des EUGH, dass das fremde Werk durch das Setzen eines Framing-Links keinem neuen Publikum zugänglich gemacht wurde und dass das eingesetzte technische Verfahren sich nicht vom technischen Verfahren der ursprünglichen Wiedergabe unterschieden habe.
Ein weiterer Streitpunkt bestand zwischen den Parteien darin, ob die Rechtmäßigkeit von Framing auch dann anzunehmen sein kann, wenn keine Erlaubnis des Rechteinhabers für die Einstellung seines Werkes auf der verlinkten Website vorliegt. Im vorliegenden Fall war diese Frage noch nicht entscheidungserheblich, da das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen darüber getroffen hatte, ob der streitgegenständliche Kurz-Werbefilm tatsächlich ohne Zustimmung des Rechtsinhabers auf der Videoplattform eingestellt wurde – so wie es die Kläger behaupteten. Der BGH hat deshalb die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann. Diese Frage, ob von einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG auszugehen sein kann, wenn ein Werk auf der verlinkten Website ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist, wurde dem EUGH am 7. April 2015 (C-160/15) vom Hoge Raad der Niederlande im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens ebenfalls vorgelegt.
Ausblick
Die Rechtsfragen betreffend Framing sind bisher durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend beantwortet worden. Insbesondere bleibt bis auf Weiteres unklar, ob die urheberrechtliche Zulässigkeit der Einbindung von fremden Werken auch solche Inhalte betrifft, die ohne Zustimmung des Urhebers im Internet eingestellt wurden. Zu dieser Frage wird der EUGH in der neuen Vorlagefrage durch den Hoge Raad der Niederlande alsbald Stellung nehmen. Als Folgefrage schließt sich an, ob eine rechtmäßige Nutzungshandlung auch dann anzunehmen sein kann, wenn mittels Framing offensichtlich rechtswidrige Inhalte eingebunden werden. Im Übrigen sind die Aussagen des Urteils in Bezug auf eingebundene Videos selbstverständlich auch auf andere urheberrechtlich geschützte Werke, wie Bilder, Fotos und Texte übertragbar.